Zeitungsartikel

 

Kölnische Rundschau vom 2. August 1949

 

Königshoven und seine Pfarrkirche

Das höchst gelegene Gotteshaus des Kreises

Das langhingestrecke Bauern- und Arbeiterdorf liegt in der nördlichsten Ecke unseres Heimatkreises. Dem Wanderer, der zu Fuß oder mit der Bahn durch das Erftland zieht, fällt sofort das hochgelegene Gotteshaus in die Augen. Es ist eines der schönsten Kirchen in der weiter Runde. Sie ist der Sammelpunkt in der Stille des Dorfes. Und nicht selten sind die Häuser, Höfe und Hütten der Gemeinschaft alle wie Küchlein um die Henne dicht um das Gotteshaus geschart. Ihre Väter haben sie nicht an die lärmende Straße gebaut. Noch heute gehen Eisen- und Autobahn in weitem Bogen um das Dorf herum. Zu Füßen dieses Heiligtums liegt der Friedhof ausgebreitet. Hier ruhen die Ahnen unter dem Rasen zwischen den hohen Lebensbäumen, all die Tausende längst vergessener und verschollener Menschen.

St. Peter ist eine alte Kirche. Sie wurde schon um das 14. Jahrhundert genannt. Nach Vollendung eines zweischiffigen gotischen Baues im 15. Jahrhundert, folgte 1676 die Errichtung einer Sakristei. Da die Kirche den Ansprüchen der stetig wachsenden Gemeinde nicht mehr genügte, legte der damalige Regierungsbaumeister Busch der bischöflichen Behörde neue Pläne vor. Daraufhin wurde 1896 mit einem Erweiterungsbau begonnen. Man legte das Chor nieder und ersetzte es durch einen Neubau. Königshoven besitzt die höchstgelegene Kirche des Kreises. Es ist ein prächtiger Anblick, wenn man von hier oben in das weite Erftland schaut, besonders jetzt zur Zeit der Ernte den Blick über das wogende, fruchtbare Gefilde streifen läßt. Das Gotteshaus liegt auf einem hoch aufgemauerten, nach Westen und Süden zu von Backsteinstreben gestützten Platz. Sie ist mit dem Turm 28,30 Meter lang und 11,40 Meter breit. Der romanische dreistöckige Turm stammt aus dem ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts und besteht aus Tuff mit Eckquadern aus Trachyt. Er zeigt in jedem Stockwerk je zwei große leicht zugespitzte Blenden, im letzten Geschoß einfache rundbogige Fenster mit einem reichen Dachgesims unter der achtseitigen geschieferten Haube.

Das Langhaus besteht bis zum Kaffgesims aus wechselnden Schichten von Tuff und Backstein, darüber vorwiegend aus Backstein. Das Mittelschiff ist mit einfachem Satteldach eingedeckt, die vier Joche des Seitenschiffes mit einzelnen abgewalmten Dächer. Im Innern werden die beiden Schiffe durch drei achtseitige Pfeiler getrennt, die auf zweimal abgetreppten reichprofilierten, 1,20 Meter hohen Sockeln stehen. Die Rippen, die ein scharfes Schienenprofil zeigen, ruhen auf tief herabgezogenen Konsölchen.

Vielfach ist die Königshovener Kirche von Dieben heimgesucht worden. Ende vorigen Jahrhunderts erbrachen Gottesschänder das Tabernakel. Geweihte Hostien fand man am Tage nachher in der Klapperhöhle auf Morken zu, wo heute ein Kreuz als Erinnerungsmal steht.

Auf Opfersinn und heiligem Heimatstolz haben die Bewohner dieses Gotteshaus erstehen lassen. Groß, stark, kühn und feierlich beherrscht es die unendliche Weiter der Landschaft. Und doch ist aller trutzige Machtwille eingeschmolzen in den demütigen Dienst eines ewigen Willens! Die Kirche ist dem Dorfe und seinen Bewohnern ans Herz gewachsen. Und ein wunderbarer Hauch berührt einen jedesmal, wenn man nach längerer Trennung sich ganz still in dem geheiligten Raum zur Andacht und Sammlung einfindet. Auch in Königshoven ist die Kirche Seele und Mittelpunkt des Dorfes geblieben. In ihr hat die Kultur der Gemeinde ihren Angelpunkt. Und Sonntags, wenn Pflug, Sense und Bergmannsarbeit ruhen und feierliche Stille über dem Dorf liegt, dann ist es das Leben spendende und Hoffnung verheißende Gotteshaus, welches das ganze Dorfvolk wie eine große Familie vereint und sammelt.

Kirche im Dorf. - Heute richtet sich die Hoffnung des christlichen Volkes neu und stark zu den mütterlichen Kräften der Erde, der Scholle und des Dorfes hin, in dessen Mitte als ragendes Symbol sich St. Peter zum Himmel erhebt.

 

 

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Dokumentation über Kriegsopfer

- Aus einem Zeitungsbericht 1988


Durch Feindeinwirkung gefallen

Reiner Görres legte Dokumentation über die 179 Königshovener Kriegsopfer vor

Königshoven. Rheinbraun-Pensionär Reiner Görres, den Bürgern im ort und in der Umgebung als Hobbyfilme und Hobbyarchivar bekannt, hat jetzt nach zweijähriger mühevoller Kleinarbeit eine Dokumentation über die 179 Kriegstoten und Vermißten der alten Ortschaft Königshoven im Zweiten Weltkrieg zusammengestellt.

Es ist eine für den Leser tiefergreifende Sammlung, die auch heute, 43 Jahre nach Kriegsende, mit vielen Einzelschicksalen aufzeigt, welches Leid der Krieg mit sich brachte und welche großen Opfer nahezu alle Familien der Ortschaft Königshoven in den Kriegsjahren von 1939 bis 1945 bringen mußten.

Einen dicken Ringordner füllen die Klarsichthüllen mit den Fotos der Toten und Vermißten, Bildern von Soldatengräbern, Todesanzeigen aus der Presse, kirchlichen Totenzetteln, Mitteilungen von der Truppe, von Behörden, Standesämtern sowie deutschen und ausländischen Suchdiensten für Vermißte.

Eine jede Klarsichthülle behandelt ein menschliches Schicksal: Männer, die auf den Schlachtfeldern der Soldatentod starben oder als Vermißte gelten, Jugendliche, die beim Schanzdienst in Linnich im Artilleriebeschuß umkamen und Frauen und Männer, die bei den Kämpfen um die Ortschaft Königshoven im Februar 1945 zu Tode kamen.

„Die Dokumentation soll einmal als bleibende Erinnerung und Mahnung für alle Zeiten in das Archiv der örtlichen, katholischen Kirchengemeinde St. Peter übergehen“, erläuterte Hobbyarchivar Reiner Görres. Über die örtliche Gedenktafel mit den Namen der Kriegstoten und Vermißten hinaus, die sich in der Bürgerhalle befindet, wollte er auch die persönlichen Schicksale der 179 Kriegsopfer aufzeigen.

Behilflich waren bei der Zusammenstellung der Dokumentation, die einige Hundert Hausbesuche und den Gang zu Standesämtern und Behörden erforderlich machte, vor allem die Eltern, Geschwister und sonstigen Verwandten der Betroffenen. Sie stellten bereitwillig das erforderliche Material zur Verfügung.

Die Einzelfotos zeigen Soldaten aller Waffengattungen, andere Fotos zeigen das letzte Ruhegrab in fremder Erde. Zu lesen sind auch die schriftlichen Bescheide der Kompanie- und Batteriechefs von der Front mit Gefallenen- oder Vermißtenmeldungen, ferner Benachrichtigungs- und Beileidsschreiben der zuständigen Behörden.

Einige Vermißtenschicksale wurden vom DRK - Suchdienst geklärt, andere in Verbindung mit dem Exekutivkomitees der Allianz der Gesellschaften vom Roten Kreuz und Roten Halbmond der UDSSR in Moskau. Die Bescheide geben Nachricht vom Tod der Vermißten in russischer Gefangenschaft.

Als vermißt galt auch der Soldat Victor Josef Godesar, der an der Ostfront eingesetzt war. Reiner Görres entdeckte kürzlich in einer Wochenschau-Aufzeichnung aus dem Kriegsjahr 1944 auf einem Bildstreifen den Soldaten Godesar. Zusammen mit drei anderen Soldaten überquerte er in einem Floß einen Fluß. Görres fertigte einen Bildauszug und überbrachte das Foto den Familienangehörigen von Victor Josef Godesar, der am 15. Dezember 1945 in russischer Gefangenschaft in Atbassa in Sibirien verstorben ist.

Der erste Kriegstote der Ortschaft Königshoven war der Soldat Matthias Baum, geboren 1915 in Königshoven. Sein Grab befindet sich auf dem örtlichen Friedhof.

Ein Teil der Dokumentation ist dem unfreiwilligen Opfergang von acht Jungen im Alter von 14 bis 17 Jahren gewidmet. Mit vielen Jugendlichen aus dem Ort und dem benachbarten Morken-Harff waren sie zum Schanzdienst hinter der Front bei Linnich dienstverpflichtet worden.

Am 27. September 1944 wurden neun der Jungen um 20.15 Uhr durch einen Artillerievolltreffer getötet, darunter waren sieben aus Königshoven. Ein achter aus dem Ort, der schwerverletzt worden war, verstarb später.

Im Sterberegister des Standesamts Linnich sind sie gesammelt aufgeführt mit dem Hinweis: „Durch Feindeinwirkung gefallen“. Görres, der selbst beim Schanzdienst verpflichtet war, erlebte am Ort das unvergeßliche schreckliche Ereignis.

Einbezogen in die Dokumentation wurden natürlich auch die acht Frauen und Männer, die durch den Artilleriebeschuß beim Einmarsch der Amerikaner in den Februartagen 1944 im Ort zu Tode kamen.

 

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Kölnische Rundschau vom 21. Januar 1950


 
Zerstückelung des Amtes Königshoven

 
Königshoven. Nach dem ersten Weltkriege, als die Verwaltungskosten die Steuerkraft und die Leistungsfähigkeit der Bürger erheblich überstieg, wurde bei den maßgeblichen Gemeinde- und Amtsvertretungen in den Bürgermeistereien Königshoven, Kaster und Pütz erwogen, diese Lasten durch eine Senkung der Personalkosten zu vermindern. Damals zogen sich die Verhandlungen lange hin. Die Vertreter, die an den Verhandlungen beteiligt waren, kamen zu der Entscheidung, daß nur durch eine Zusammenlegung der Verwaltungen der drei Bürgermeistereien eine erhebliche Einsparung möglich sei. Es war aber schwer, zu einer Einigung zu kommen, weil man sich nicht darüber entscheiden konnte, ob eine einfache oder eine größere Zusammenlegung zweckmäßig sei. Bei den Verhandlungen spielte die Frage der Zusammenfassung von Bedburg, Kaster, Königshoven und Pütz oder die Zusammenfassung Kaster-Königshoven-Pütz eine entscheidende Rolle. Ehe man sich jedoch bei allen maßgeblichen Stellen und Instanzen auf eine bestimmt Linie entschieden hatte, trat der Nationalsozialismus seine Herrschaft an und verfügte kurzerhand die Zusammenfassung von Kaster, Königshoven und Pütz zu einer einheitlichen Verwaltung. Wer mit den Verhältnissen vertraut ist, weiß, daß die Ämterzusammenlegung gut gewählt war. Jedenfalls ist die Bevölkerung der drei Ämter bis zum Jahre 1945 in finanzieller Hinsicht gut gefahren.

 
Als die Amerikaner 1945 den Kreis Bergheim besetzten, wurde Lipp von Bedburg aus verwaltet. Von Kirchherten aus begann gegen die gemeinsame Amtsverwaltung ein Kampf, der zuerst mit der Einrichtung einer einfachen und dann einer erweiterten und demnächst einer vollständig eigenen Verwaltung enden soll. Diese Bestrebungen zur Zerstückelung des Amtes Königshoven finden bei einigen Stellen vollste Unterstützung.

 
Vor etwa 150 Jahren hat man Gemeinden und Bürgermeistereien eingerichtet und Verwaltungen geschaffen. Zweifellos waren für die Abgrenzungen die damaligen Verkehrsverhältnisse maßgebend. Inzwischen ist man vom schwerfälligen Fahrzeug zum Fahrrad, zum Motorrad und zum leichten Wagen gekommen. Jedenfalls sollte man heute nicht dazu übergehen, zu Lasten des armen Steuerzahlers große Ortsverwaltungen aufzubauen, sondern man soll den Entwicklungen der Zeit Rechnung tragen. In einem Artikel in der Kölnischen Rundschau vom 14. Januar werden die Verhältnisse in Bezug auf die Entscheidung, die Lipp jetzt wegen seiner Rückkehr zum Amte Königshoven treffen muß, vom Bedburger Standpunkt aus betrachtet. Die Entfernungen von Bedburg bis Garsdorf bzw. Auenheim sind genau soweit bzw noch weiter, als der Weg von Lipp bis Harff. Um der Bevölkerung von Lipp den Weg nach Harff zu erleichtern, ließen sich dort auch Sprechstunden einrichten. Bei den Entscheidungen, die von Lipp und von der Gemeinde Pütz zu treffen sind, sollte man weniger auf rein örtliche Verhältnisse sehen, die sich im Laufe der Zeit ändern werden; sondern es ist das große Ganze zu berücksichtigen. Die nebenstehende Zeichnung beweist, daß das Amt Königshoven einen schön abgerundeten Verwaltungsbezirk darstellt. Die Braunkohlenindustrie ist dabei, in diesen Bereich vorzustoßen. Im Laufe der nächsten 50 Jahre wird das ganze Gebiet des Amtes Königshoven umgestaltet werden.


 


 
Es werden dort große Braunkohlengruben entstehen, deren Ausdehnung mit den bisherigen großen Gruben kaum zu vergleichen sind. Ganze Orte werden durch diese Auskohlung verschwinden. Bevor ein Stück des Amtes Königshoven (z.B. Lipp) weggenommen, oder das Amt überhaupt zerstückelt wird, sollte die zukünftige andere Gestaltung durch die Braunkohle abgewartet werden. Für die Umsiedlung von Königshoven ist schon jetzt das Gebiet zwischen Kaster und Bedburg, also die Gemarkung Kaster und Lipp, vorgesehen. Es wäre also falsch, Lipp aus dem Gebiet des Amtes Königshoven herauszunehmen.

 
Wenn schon im Hinblick auf Lipp und im Hinblick auf die großen Planungen im Amte Königshoven eine Zerstückelung und Zerschlagung von jedem vernünftig denkenden Bürger, vor allem von jedem Verwaltungsbeamten abgelehnt werden muß, möge man über diese Dinge nicht leichtfertig verhandeln und entscheiden. Das Amt Königshoven bzw. die Bevölkerung, insbesondere die Vertreter derselben, werden bei allseits gutem Willen sich mit den Vertretern der Stadt Bedburg über ein Schema einigen, das allen Beteiligten gerecht wird.

 
Unsere Meinung:
Allgemeine öffentliche Abstimmung

 
Die Gemeinde Lipp ist leider zum Zankapfel zwischen dem Amt Harff und der Gemeinde Bedburg geworden. Jedes Amt möchte natürlich durch die Mitverwaltung der Gemeinde Lipp sein Gebiet vergrößern und seine Verwaltung stärken. Oder liegt ausschließlich das Wohl der Bürger der Gemeinde Lipp beiden Ämtern so sehr am Herzen? Jede Verwaltung führt bei der Diskussion der Frage der Umgemeindung ihre eigenen Vorteile ins Feld. Es dürfte aber nicht Sache der beiden Ämter sein, über diese wichtige Angelegenheit zu entscheiden, vielmehr müßte die gesamte Wohnbevölkerung von Lipp hier gehört werden. Dies könnte in einer allgemeinen Abstimmung geschehen, die von der Gemeindevertretung anzuordnen ist. Natürlich wäre Sorge zu tragen, daß die Bevölkerung über das Für und Wider vor der Abstimmung genügend aufgeklärt wird. Die Bevölkerung könnte dann auch nicht den Behörden und der Vertretungskörperschaft über etwaige Nachteile, die sich vielleicht aus der einen oder anderen Lösung ergeben, irgendwelche Vorwürfe machen. Wenig zweckmäßig erscheint es auch, die Entscheidung über diese wichtige Frage der Gemeindevertretung, die nur aus vier Mitgliedern besteht, zu überlassen. Bei dem Vorschlag einer Abstimmung wollen wir ganz außer Betracht lassen, daß der Wille von einzelnen Personen, die in dieser Angelegenheit etwa ihre eigenen persönlichen Interessen verfechten möchten, sich ausschlaggebend auf die Entscheidung auswirken könnte.

 
Mit Rücksicht darauf, daß die Landesregierung die endgültige Entscheidung über die Umgemeindung bis Ende dieses Monats befristet hat, müßte die Abstimmung allerdings recht bald erfolgen.

 
D.Red.

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Kölnische Rundschau vom 22. April 1950


 
Frimmersdorf erschließt das Westfeld

 
Neuer Tagebau in der Königshovener Ackerzone unter neuem Gesetz

 
Königshoven. Es mögen rund fünfhundert Menschen - darunter nur zum geringeren Teile Grubenfachleute und Techniker - zugegen gewesen sein, als in der Nacht zum 2. April zwischen Morken und Gindorf der neue 1000-Tonnen-Bagger der Grube Frimmersdorf im Lichte der Scheinwerfer in richtung Reisdorf in das „Westfeld“ vorrollte. Diese Hundertschaften waren damit ebenso Zeugen des entscheidenden Ansatzes eines neuen Entwicklungsabschnittes des Frimmersdorfer Tagebaubetriebes wie der dadurch bedingten zukünftigen Umgestaltung der Landschaft und Wirtschaft im Gebiete von Königshoven.

 
Mit dieser unmittelbar vor Morken eingeleiteten Westschwenkung greift die Grube Frimmersdorf erstmalig aus ihrem ursprünglichen Erfttalstandort den insgesamt rund 50 Meter hohen Sprungrand der westlich angrenzenden Bördeterasse an. Das bedeutet gleichzeitig ihren Vormarsch aus dem ihr bisher eigentümlichen Busch- und Bruchgebiet der Erftniederung in die Region der ungleich wertvolleren Ackerböden der Lößzone.

Mit 21.000 cbm täglicher Leistung soll dabei der neu eingesetzte Riesenbagger die gegenüber der Erftsohle mächtigere Deckschicht abräumen und die unter dieser verborgene Braunkohle zur Auskohlung freilegen. Diese Deckschicht bildet oberflächlich zunächst einmal wertvoller ackerbarer Boden - seit je Nährer derer, die ihn bestellten; noch trägt er Weizen und Zuckerrüben. Darunter eichen unfruchtbare Sande und Kiese bis hinab zu der zerfurchten Oberfläche des Flözes ...

Die hier anstehende Braunkohle wird ebenso wie die des bisherigen Tagebaubetriebes ausschließlich als Kesselkohle für das Kraftwerk Frimmersdorf Verwendung finden. Brikettierung gibt es in Frimmersdorf nicht, und statt transportteurer Braunkohle liefert Frimmersdorf Braunkohlenenergie. Die an der Nordgrenze des Villeflözes gelegene Grube Frimmersdorf ist nämlich die Rohstoffbasis für das gleichnamige Kraftwerk, das bei vollem Ausbau der jetzigen Anlage 90.000 Kilowatt leistet und damit einen beachtlichen Beitrag in der westdeutschen Stromwirtschaft darstellt. Das am Nordrande der Grubenanlage errichtete Kraftwerk ist daher auch der unverrückbare Festpunkt für das Schwenksystem des gesamten Abbaubetriebes.

Vor genau 25 Jahren - im Mai 1925 - wurde mit dem Bau des Großkraftwerkes Frimmersdorf begonnen und seit dem Jahre 1927 wird dieses mit Frimmersdorfer Kohle versorgt. Zwar hatten „Dessauer Gas“ und Stadt Rheydt bereits während des ersten Weltkrieges dort Bergwerkseigentum mit einem abbauwürdigen Vorkommen von rund 240 Millionen Tonnen erworben. Aber die Ausbeutung dieser reichen Vorkommen inmitten der Erftniederung hatte in den ersten Jahren mit erheblichen Schwierigkeiten, nicht zuletzt infolge der Wasserverhältnisse, zu kämpfen. Die dem Talgefälle der Erft folgenden mächtigen Grundwassermengen stellten die auf diesem natürlichen Wasserspeicher errichteten Grubenanlagen vor gänzlich neuartige und stetig wachsende Aufgaben.

Es ging hier um nicht weniger als eine gesamte Neuregulierung des Wasserhaushaltes, und wenn es dabei gelang, schließlich jeglichen Einfluß des Grundwassers im Grubenbetrieb auszuschalten, so nur dadurch, daß die Grube heute jährlich 15 Millionen cbm Wasser aus ihrem Tagebau der Erft zuleitet.

Nicht minder schwierig und umfangreich war die Sicherung der oberirdischen Wasserverhältnisse. Schon in der Frühzeit der Grube - im Mai 1926 - brachte eine Wasserkatastrophe die mittlerweile gegründeten „Niederrheinischen Braunkohlenwerke“ in arge Bedrängnis. Die Hochwasserfluten der Erft hatten damals die Böschung durchbrochen, so daß die Grube für Monate zum Erliegen kam. Mit den wachsenden Betriebsanforderungen war es unerläßlich, diese Gefahr ein für allemal auszuschließen. Diese Sicherung wurde dadurch erreicht, daß die Erft selber aus dem Bereich der Grube auf die äußerste Ostseite des Tales verlegt und schließlich auch dem Königshovener Bach ein neuer Lauf gewiesen wurde. Das jetzt in Angriff genommene


„Westfeld“ kennt solche Wassergefahren nicht.

Damit dürften hier die Betriebsverhältnisse weit günstiger liegen, zumal auch eine gleichmäßigere Lagerung des Flözes zu erwarten ist. Das allerdings mächtiger werdende Deckgebirge - in der Erftniederung beträgt die Decke im Mittel nur 21 Meter und die Flözmächtigkeit durchschnittlich 26 Meter - fällt angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten nur wenig ins Gewicht. Der bereits vor dem Kriege gefaßte und jetzt im Einsatz des Großbaggers verwirklichte Plan, den Tagebau in Zukunft nicht mehr wie bisher erftabwärts zu treiben, sondern vor Morken aus der ursprünglichen Südrichtung nach Westen einzuschwenken, hat damit sehr reale Gründe.


40 Elektromotoren ermöglichen ihm 21.000 cbm Tagesleistung

 
Foto: Jacobs


Was Grube und Großkraftwerk bisher für die Bevölkerung der anliegenden Orte bedeuten, ergibt sich aus der Tatsache, daß Frimmersdorf mit 17,8 % der Ortsbevölkerung heute die höchste Bergarbeiterdichte aller Erftorte

aufweist. (In Quadrath-Ichendorf machen die Bergleute 14,5 $ der Ortsbevölkerung aus.) Selbst Harff bringt es dank Frimmersdorf noch auf 6,8 und Epprath auf 5,6 % Bergarbeiten.

Aber zwischen Morken und Frimmersdorf klafft heute ein gewaltiger Trichter mit etwa 2 km Durchmesser. In diesem Krater wurde die Erftlandschaft in nicht ganz 25 Jahren zu urweltlichen Formen verwandelt. Hier ist, wie gesagt, im wesentlichen ein Teil einer anheimelnden Landschaft untergegangen. In dem jetzt in Angriff genommenen Westfeld mit seinen Ackerfluren, die gleichzeitig die Existenzgrundlage eines Teiles der Bevölkerung der betroffenen Orte darstellen, geht es um andere Werte. Und hier wird es sich erweisen, ob es gelingen wird, neben der notwendig gewordenen Nutzbarmachung des im Untergrunde schlummernden Reichtums gleichzeitig auch den ewigen Segen der Erde zu erhalten. So ist gerade das Beispiel Königshoven wie kaum ein anderes des Kreises dazu angetan, die neue Entwicklung des Braunkohlentagebaus unter dem Einfluß des Braunkohlegesetzes zu verfolgen.

 

 

 

 

 

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